Wenn sich zum ersten Mal nach zwei langen Jahren Pause wieder die Bühne bietet, alle Bürger in einer Rede zu erreichen, so sollte man als Bürgermeister diese Gelegenheit nutzen, nicht nur den Blick zurück zu wenden, sondern einen positiven Ausblick auf die Zukunft zu wagen.
Dass dies nach einer halbwegs überstandenen Pandemie und in einer unsicheren Weltlage nicht einfach ist, ist gewusst. Es braucht Analyse, Überlegung und auch Empathie, um diese Aufgabe zu meistern. Nun kommt der Nationalfeiertag nicht überraschend, und die ersten Bürger der Gemeinden hatten genügend Zeit, sich auf diese wichtige Rede vorzubereiten, was den meisten auch gelungen sein dürfte.
Echternach hatte in den letzten beiden Jahren nicht nur mit den Folgen der Pandemie, sondern auch mit denen eines Jahrhunderthochwassers zu kämpfen. Man durfte also erwarten, dass der Rückblick hauptsächlich den positiven Dingen gelten würde, wie der großen Solidarität unter den Bürgern, dem Willen, gemeinsam anzupacken, der Bereitschaft, auch die Geschäftswelt am Leben zu halten und vieles mehr.
Stattdessen mussten die Zuhörer am Vorabend des Nationalfeiertages die Aufzählung von Anschuldigungen gegen alle möglichen Akteure über sich ergehen lassen.
Schon seit Jahren wird die Entwicklung unserer Stadt zum Teil dadurch ausgebremst, dass staatliche Instanzen den Bürgermeister immer wieder zurechtweisen müssen wegen seiner recht eigenwilligen Interpretation mancher Gesetze und Reglements. Schuld scheinen aber die anderen zu sein!
Dies hat sich zuletzt wieder beim Management der Hochwasserprobleme gezeigt. Unfähig, mit der Direktion des Lyzeums im Dialog eine gute Lösung für einen provisorischen Standort einer dringend benötigten Sporthalle zu finden, wird in einem Interview (LW vom 12.05.2022) beleidigt versucht, die Schuld hierfür auf diese abzuwälzen.
Aus diesen Gründen war die Rede am Vorabend des Nationalfeiertags eines Bürgermeisters unwürdig, besonders zu diesem feierlichen Anlass.
Durch den Krieg in der Ukraine wird uns bewusst, dass der Frieden, in dem wir in unseren Breitengraden die letzten Jahrzehnte leben durften, keine Selbstverständlichkeit ist. Wir stehen zudem vor den enormen Herausforderungen durch den Klimawandel. Es muss daher das Bestreben aller Menschen sein, im Miteinander einen positiven und friedlichen Umgang zu finden, vom Alltagsleben über die nationale Politik bis hin zur großen politischen Weltbühne. Dies wäre eine angemessene Botschaft für die BürgerInnen Echternachs gewesen.
Besonders in schwierigen Zeiten eine Aufbruchsstimmung zu vermitteln, hätte der Tenor der Rede an diesem Vorabend zum Nationalfeiertag auf dem Echternacher Marktplatz sein müssen.
Diese Chance ist dieses Jahr verpasst worden – leider.